Vorstellung der Gleichstellungsstrategie
Nach drei Jahren Erarbeitung wurde am Montag, den 20. Oktober 2025, im prachtvollen Weißen Saal des Neuen Schlosses in Stuttgart die erste ressortübergreifende Gleichstellungsstrategie des Landes Baden-Württemberg vorgestellt und feierlich verabschiedet – und das Mädchen*netzwerk war dabei!

In ihrem Grußwort zu Beginn der Veranstaltung betonte Staatssekretärin Dr. Ute Leidig, was sich die Strategie mit den darin festgelegten gleichstellungspolitischen Maßnahmen zum Ziel gesetzt hat: Die Verwirklichung „gleicher Chancen, Rechte und Freiheiten“ für alle Baden-Württemberger:innen – Gleichstellung und Geschlechtergerechtigkeit eben.
Dies steht so auch in unserem Grundgesetz:
„Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“ (Art. 3 Absatz 2 Satz 2)
Gendergerechtigkeit sei in stürmischen Zeiten wie diesen besonders gefordert, so Leidig, denn mit Blick auf die aktuelle politische Lage werde deutlich: „Die Gleichstellung steht unter Beschuss.“ Es kommt immer wieder zu Angriffen auf die Werte unserer Verfassung und nicht nur, aber auch deshalb hat die nun beschlossene Strategie eine große Relevanz und Bedeutung für die Gleichberechtigung in Baden-Württemberg.
Bereits 2021 wurde im Koalitionsvertrag der aktuellen baden-württembergischen Landesregierung festgelegt:
„Unser Ziel ist die umfassende Gleichstellung von Frauen und Männern in allen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, wissenschaftlichen, kulturellen und digitalen Belangen.“
Für das Umsetzen und Erreichen dieser sollte die Gleichstellungsstrategie entwickelt werden. Nun werden diese Ziele im „Länd“ – in dem mehr als 5,5 Millionen Frauen leben – zum ersten Mal ressortübergreifend angegangen; zuvor hatte es nur vereinzelt interministerielle Gleichstellungsmaßnahmen gegeben. Ein bedeutender Schritt für die Gleichberechtigung in Baden-Württemberg also.
Aber nicht nur hier, sondern auch bundesweit ist die Gleichstellungsstrategie als ressort- und
akteursübergreifende Strategie die erste und bisher einzige Bundesland-Initiative dieser Art, gewissermaßen eine „Vorreiterin“ also.
Doch was steht konkret in der Gleichstellungsstrategie: Wie ist sie aufgebaut, was soll umgesetzt werden und was bedeutet sie für Mädchen und junge Frauen? Diese Fragen sollen im Folgenden näher betrachtet werden.
Maßnahmen der Gleichstellungsstrategie
Wie Erika Maria Schmitt und Dina Reis (Leiterin und Referentin des Referats Gleichstellung des Sozialministeriums) am 20.10. präsentierten, gibt es vier Leitziele, die für die Gleichstellungsstrategie definiert wurden und unter deren Zeichen diese stehen soll:
- Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts und der Demokratie
- Stärkung von Wirtschaft, Wohlstand und Existenzsicherung
- Förderung der Vielfalt im Land
- Geschlechtergerechte Digitalisierung
Die Leitziele werden durch sechs vielfältige Handlungsfelder umgesetzt – in Klammern stehen im Folgenden jeweils die Anzahl gleichstellungspolitischer Maßnahmen der Gleichstellungsstrategie, die sich dem jeweiligen Handlungsfeld zuordnen lassen.
- Teilhabe und Mitbestimmung (33)
- Bildung und Berufswahl (16)
- Kultur und Wissenschaft (7)
- Transformation der Arbeitswelt sowie Vereinbarkeit von Erwerbs- und unbezahlter Care-Arbeit (58)
- Frauenfeindlichkeit, Diskriminierungsfreiheit und Sicherheit (27)
- Gesundheit (14)
Insgesamt beinhaltet die Strategie also 155 Maßnahmen – manche davon gab es bereits vorher, doch es wurden auch einige komplett neue, zukunftsgerichtete festgelegt.
Die Kernthemen, die in den Gleichstellungsmaßnahmen behandelt und angegangen werden sollen, sind: Antifeminismus, ökonomische Gleichstellung, Gewaltschutz sowie geschlechtergerechte Digitalisierung und Chancen und Risiken Künstlicher Intelligenz.
Hier eine Auswahl geplanter Maßnahmen, für die jeweils ganz verschiedene Ressorts des Landes, oft in Kooperation, zuständig sind:
- Förderung von Fortbildungen und Workshops für politische Akteurinnen und Akteure zum Thema Umgang mit antifeministischen Angriffen
- Sensibilisierung junger Zielgruppen zum Thema Antifeminismus über Social-Media-Kanäle
- Fortführung der Landesinitiative „Frauen in MINT-Berufen“ in Baden-Württemberg
- Entwicklung und Umsetzung einer Strategie für eine landesweite koordinierte Öffentlichkeitsarbeit zum Thema geschlechtsspezifische Gewalt
- Entwicklung eines Kl-gestützten Chatbots für das Online-Fachportal „Beratung digitale Gewalt“ der Koordinierungsstelle zu geschlechtsspezifischer digitaler Gewalt im sozialen Nahraum
- Gesellschaftsreport zum Gender Data Gap im Bereich Kl in Baden-Württemberg: „Zwischen Fortschritt und Vorurteil: Wie künstliche Intelligenz Gleichstellung in Baden-Württemberg prägt“
Die Referentinnen Schmitt und Reis bezeichnen diese erste Gleichstellungsstrategie als einen „Meilenstein“ für Baden-Württemberg; die Strategie gebe einen „transparenten Überblick über die gleichstellungspolitischen Aktivitäten der Landesregierung“ und die darin festgelegten Maßnahmen helfen, „dem Ziel der Verwirklichung des Verfassungsauftrags einen entscheidenden Schritt näher zu kommen“.
Hier kann die Gleichstellungsstrategie abgerufen werden, stöbert gerne darin.
Gleichstellungspolitische Leuchtturmprojekte
Auf dem Programm stand am Montag – im Anschluss an die inhaltliche Vorstellung der in der Gleichstellungsstrategie festgelegten Maßnahmen – die exemplarische Präsentation von drei die Gleichberechtigung betreffenden Projekten und Initiativen, die ganz verschiedenen Gebieten entstammten. So gaben die Referentinnen den Zuschauenden einen spannenden Einblick in die gleichstellungspolitische Landschaft der Bereiche Verkehr und Mobilität, soziale Medien und Künstliche Intelligenz sowie Naturwissenschaft und Beruf.
Alle drei Projekte sind in der Gleichstellungsstrategie als Maßnahmen verankert und sollen weiter fortgeführt und ausgebaut werden.
Staatssekretärin Elke Zimmer MdL (Landesministerium für Verkehr), stellte eine Studie zu Gleichstellung in der Mobilität vor. Diese sei „für eine gerechtere Gesellschaft, in der alle Menschen die Freiheit haben, ihr Leben selbstbestimmt so zu gestalten, wie sie möchten“ unglaublich wichtig, denn „Frauen haben häufig weniger Freiheit in der Mobilität – und das ist keine Nebensache“, so Zimmer. Mobilität und Sicherheit im Verkehr stelle somit einen Schlüssel zu Freiheit dar, die jedem und jeder offenstehen solle. An diesem Punkt setzt, wie oben bereits beschrieben, auch die Gleichstellungsstrategie an.
Friederike Schnaudt von der Koordinierungsstelle zu Digitaler Gewalt im sozialen Nahraum präsentierte anschließend das Leuchtturmprojekt eines KI-basierten Chatbots; dieser sei die „bundesweit erste KI-Anwendung für Beratungsstellen zu digitaler Gewalt“. Mit dem Chatbot, der auf Grundlage eigener Inhalte und Datensätze des Fachportals trainiert werde, seien neben Herausforderungen vor allem auch große Chancen für die Hilfe bei der Beratung zu geschlechtsspezifischer digitaler Gewalt verbunden.
Im Anschluss stellte Dr. Birgit Buschmann – Leiterin des Referats „Wirtschaft und Gleichstellung“ vom Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus – die Landesinitiative und das Bündnis „Frauen in MINT-Berufen“ vor. Hierbei werde auch auf Bundesebene eng zusammengearbeitet. Eine besonders große Rolle spielen für die Bestärkung von Mädchen und Frauen in mathematischen, informatischen, naturwissenschaftlichen und technischen Tätigkeitsbereichen laut Buschmann die Präsentation von weiblichen Vorbildern und „MINT-Heldinnen“.
Podiumsdiskussion: Zukunft der Gleichstellungspolitik

Am Ende der Veranstaltung folgte eine bereichernde Podiumsdiskussion mit Expert:innen zum Thema „Wie geht es weiter mit der Gleichstellungspolitik im Land?“.
Dr. Ute Leidig äußerte hierbei zunächst den Wunsch, dass es mit der Gleichstellungsstrategie „weitergeht, auch in der nächsten Legislaturperiode“. So gehe es in Bezug auf die Gleichberechtigung in die richtige Richtung, auch wenn man „noch lange nicht am Ende“ sei – aber auch mit kleinen Schritten sei spürbar, dass es vorangeht.
Auch Prof. Dr. Petra Nieken, Leiterin des Lehrstuhls für Human Resource Management am KIT, appellierte mit Blick auf die Forschung: „Wir sind auf einem guten Weg, dürfen aber nicht nachlassen.“ Dr. Arn Sauer stellte als Direktor der Bundesstiftung Gleichstellung Arbeitsweisen und Ziele, aber auch Herausforderungen seiner Arbeit vor.
Die Vorsitzende des Landesfrauenrats Baden-Württemberg, Prof. Dr. Ute Mackenstedt, betonte während der Diskussion: „Wir sind noch längst nicht da, wo wir sein wollten“. Hierbei sei eine nachhaltige Verankerung der Gleichstellung durch die Politik unbedingt notwendig. Ebenfalls hob sie hervor: „Gleichstellung ist kein nice to have, das ist knallharte Ökonomie, es ist Demokratie und Gerechtigkeit und das ist der Grund, dass sich so viele dafür einsetzen.“
Moderatorin Anni Schlumberger rief im Gespräch ebenfalls dazu auf, „Kräfte zu bündeln, Expertise zu bündeln, sich zu vernetzen und auszutauschen“. Staatssekretärin Leidig betonte in Bezug auf die gleichstellungspolitischen Ziele schließlich, dass es sowohl Politik als auch Zivilgesellschaft brauche, um Gleichberechtigung zu erreichen.
Ausblick des Mädchen*netzwerks
Nun lässt sich hoffen, dass Gleichberechtigung auch dauerhaft strukturell verankert und umgesetzt werden kann – und, dass die Gleichstellungsstrategie nicht mit dieser Legislaturperiode schon bald wieder endet; sondern, dass sie auch zukünftig fortbesteht.
Und wie Dr. Ute Leidig in ihrem Grußwort zu Beginn der Veranstaltung schön gesagt hat: „Ich freue mich auf den weiteren Kampf mit Ihnen allen für eine geschlechtergerechte Gesellschaft!“ Dem kann sich das Mädchen*netzwerk nur anschließen.
Herzlichen Dank an die Landesregierung und insbesondere das Sozialministerium für die Einladung zu diesem spannenden und bedeutenden Event!



Text und Fotos: Famke Kradi