Artikel zur Jugendbeteiligung in Eberbach

|Dachverband

Die Jugendbeteiligung in Eberbach ist im Dauerlockdown

Der „Runde Tisch“ hatte seit Monaten keine Sitzung mehr. Johanna Walz kritisiert: Es wird sich zu wenig in die Jugendlichen hineinversetzt.

Eberbach. Junge Menschen haben es nicht leicht in der Corona-Krise. So ziemlich alles, was ihren Lebensabschnitt normalerweise ausmacht, ist nicht oder nur eingeschränkt möglich. Umso verwunderlicher scheint es, dass der „Runde Tisch Jugendbeteiligung“ seit September 2020 nicht mehr getagt hat. 2017 entstand dieses Format im Anschluss an eine Umfrage der Stadt zur Jugendbeteiligung, bei der alle Eberbacherinnen und Eberbacher im Alter von 13 bis 18 Jahren angeschrieben worden waren. Damit kam Eberbach der seit 2015 in § 41a der baden-württembergischen Gemeindeordnung festgehaltenen Pflicht zur Beteiligung der Jugend nach. Man entschied sich für dieses lockere Gremium, statt die Wahl eines festen Jugendgemeinderates anzustreben. Handfeste Ergebnisse, die auf dem Austausch am Runden Tisch beruhen, sind auch über drei Jahre später noch nicht ersichtlich. Ob Skatepark, neues Jugendzentrum, Partys im Depot, Mountainbike-Park: Nichts davon ist bisher verwirklicht. Woran liegt das?

Hauptamtsleiterin Anke Steck berichtet auf Nachfrage, dass für den 23. Juni – sofern Corona es zulässt – zu einem Runden Tisch in Präsenz eingeladen werden soll, andernfalls soll digital getagt werden. Bei der letzten bisherigen Sitzung seien nur sehr wenige Jugendliche anwesend gewesen, man habe abgesprochen, dass über den Instagram-Account „jugend.ebb“ die Themen für die Dezember-Sitzung abgefragt werden sollten. Daraufhin hätten sich jedoch nur die „Skater“ gemeldet, deren Anregungen man zur Kenntnis genommen habe, berichtet Steck. „Aufgrund des Anstiegs der Infektionszahlen zu diesem Zeitpunkt hat sich die Verwaltung entschieden, den Runden Tisch im Dezember 2020 nicht einzuladen. Weiterhin hat die Verwaltung mit der Absage des Runden Tisches 9. Dezember die Jugendlichen angefragt, ob ihrerseits ein Bericht in einer Gemeinderatssitzung gewünscht ist. Hierzu haben wir leider keinerlei Rückmeldung erhalten“, erklärt die Hauptamtsleiterin das Vorgehen. Aufgrund des eher geringen Interesses der Jugendlichen, abgesehen von „Skatern und Bikern“, habe man sich auch gegen die Durchführung des Runden Tisches im März entschieden und sei nun gespannt, wie die Resonanz auf die Einladung im Juni ausfalle. Es soll also erst einmal weitergehen wie bisher.

Auf der Seite derjenigen, die am Runden Tisch gehört werden sollen, gibt es durchaus Frust über das Format und die bisherigen Ergebnisse. Johanna Walz ist bereits seit mehreren Jahren als Teilnehmerin beim Runden Tisch dabei und betreut die Instagram-Seite „jugend.ebb“, auf der sie die Sitzungen des Runden Tischs bewirbt und Umfragen zu Themen durchführt, die die Jugendlichen vorgebracht haben. Dadurch ist sie im Laufe der Zeit de facto zur „Kontaktperson“ der Stadtverwaltung zu den Jugendlichen geworden.

Das bisher letzte Treffen des Runden Tischs am 23. September 2020 bezeichnet sie als „das Beste, das bisher stattgefunden hat“, denn endlich habe man über eine Weiterentwicklung des Runden Tischs diskutiert. Beispielsweise habe man über eine Vorbesprechung der Jugendlichen gesprochen, die vor den Treffen mit der Stadtverwaltung stattfinden soll. So könnte man die einzelnen Ideen und Forderungen koordinieren. „Außerdem gibt es die Idee, feste Tage zu speziellen Themen wie dem Skate Park zu machen, an denen dazu diskutiert wird und die daran Interessierten kommen können“, berichtet Walz. Warum es danach keine digitalen Sitzungen gab, weiß sie nicht.

Weil es wenig Neues gab, ist auch die Instagram-Seite eingeschlafen. Die Ergebnisse der über das Soziale Netzwerk durchgeführten Umfragen hatte sie immer an die Stadtverwaltung weitergeleitet. „Der lange Abstand zwischen den Sitzungen sorgt generell dafür, dass man sich zu selten sieht und deshalb auch nur wenig erreichen kann“, hat die 18-Jährige festgestellt. Grundsätzlich sieht Walz das Problem, dass sich zu wenig in die Jugendlichen hineinversetzt werde: „Dass es Beteiligungswellen gibt, ist ganz normal, denn Interessen ändern sich gerade in unserem Alter“. Dafür bräuchte es mehr Verständnis, gerade wenn man kein fest gewähltes Gremium wie einen Jugendgemeinderat habe. Viele Jugendliche würden zudem ab dem Alter von 18 Jahren aus Eberbach wegziehen, sodass sie auch aus der Arbeit am Runden Tisch wegfallen. Um neue Jugendliche zur Mitarbeit zu bewegen, kann Johanna Walz sich vorstellen, dass die Stadt noch einmal alle Jugendlichen per Post anschreibt.

Auch in anderen Kommunen im „Ländle“ hat sich die Pandemie auf die Jugendbeteiligung ausgewirkt – wenngleich bei den Mitgliedern des Dachverbands der Jugendgemeinderäte Baden-Württemberg ein Totalschaden wie in Eberbach ausbleibt. Bei Minyue Wei, Beisitzerin für Verbandsarbeit im Dachverband und Jugendgemeinderätin in Heidelberg, sind einige Sitzungen ausgefallen, werden aber inzwischen digital oder mit Hygienekonzept durchgeführt. Während manche Aktionen, wie die Beteiligung am Faschingsumzug, ausfallen mussten, plane man weiterhin ein E-Sport-Turnier im Herbst und konnte ein „Sportpaket“ für die Neckarwiese verwirklichen, berichtet Wei. „Es ist als Jugendgemeinderätin in Heidelberg momentan nicht ideal, da wir uns normalerweise im eigenen Büro treffen können. Dieser Kontakt bleibt aus, aber die Absprachen laufen jetzt digital“, schildert sie die Veränderung der Arbeitsweise.

Jana Freis, Vorsitzende im Bereich Externes des Dachverbands der Jugendgemeinderäte und Jugendgemeinderätin in Bretten, hat festgestellt: „Es ist tatsächlich etwas schwieriger geworden, neue Leute für jugendliches Engagement zu begeistern. Einen Grund dafür sehe ich darin, dass weniger persönlicher Kontakt stattfindet, wodurch sich sonst immer Jugendliche für ein Projekt begeistert haben. Außerdem herrscht auch eine „Coronamüdigkeit“, weshalb auch vor allem junge Menschen immer weniger an einem Online-Austausch interessiert sind“. Als Dachverband stehe man den Jugendgemeinderäten immer zur Seite und biete den Mitgliedern bald auch Workshops zur Gestaltung digitaler Sitzungen an.

Es bleibt abzuwarten, ob der „Runde Tisch Jugendbeteiligung“ wieder in Fahrt kommt. Nach drei so gut wie ergebnislosen Jahren bleibt offen, weshalb die Stadtverwaltung am wenig erfolgreichen Konzept festhält, das weniger von den Jugendlichen selbst, denn durch die „Erwachsenen“ gestaltet wird.  

Quelle: 

Herausgeber: Rhein-Neckar Zeitung 

Veröffentlicht: 07.06.2021, 06:00 Uhr 

Autor: Jonas Haaß